Die Brauttruhen der Familie Gonzaga

Die Brauttruhen der Paola Gonzaga aus Mantua

Die Brauttruhen der Fürstenfamilie Gonzaga sind in der Fachwelt als außerordentliche Zeugnisse oberitalienischer Prachtentfaltung im Bereich des spätmittelalterlichen Kunsthandwerks allgemein bekannt. Die beiden Frührenaissance-Reliefs im Kärnten Museum in Klagenfurt zählen darüber hinaus heute zum international wertvollsten Kunstbestand des Landes Kärnten. Sie bildeten ursprünglich die Stirnseiten zweier Hochzeitstruhen der Fürstentochter Paola Gonzaga (1464–1496), die im Jahre 1478 mit Graf Leonhard von Görz verheiratet wurde. Aus Schloss Bruck bei Lienz gelangten die Brauttruhen um 1500 zunächst als „fromme Seelenstiftung“ an den Millstätter St. Georgs-Ritterorden und im Jahre 1853 kamen die bereits von den Truhen getrennten Reliefs schließlich in das Geschichtsvereinsmuseum nach Klagenfurt. Ikonographisch im Vergleich mit florentinischen und venezianischen Cassoni besonders bemerkenswert ist die Verknüpfung der mittelalterlichen Trajanslegende mit der antiken Triumph-zugsidee und der christlichen Tugendlehre. Der Reliefvordergrund zeigt uns in kontinuierender Erzählweise zunächst den Auszug des Heeres Kaiser Trajans und dann im zweiten Teil das gerechte Urteil als Richter. Der dicht gedrängte Figurenfries und die wirklichkeitsnahen Reiterdarstellungen lassen sich aus antiken Triumphbögen, Schlacht- und Jagdsarkophagen ableiten. Die häufige Verwendung von Profil-köpfen spricht allgemein für einen formalen Einfluss der Medailleurkunst. Für die exakte Wiedergabe des lorbeerbekränzten Imperators auf dem weißen Pferd kopierte der Künstler offensichtlich sogar ein Münzporträt aus der Zeit des römischen Kaisers Konstantin. Die kostbare Ausführung und die farbige Fassung des Stucks verstärkt die räumliche Tiefenwirkung und erleichtert die szenische Lesbarkeit der Reliefs. Für das ausgehende Quattrocento typisch ist die häufige Verwendung von Blau und Gold. Besonders reizvoll erscheinen auch die in zarten Grautönen gemalten perspektivischen Durchblicke auf oberitalienische Hausfassaden, auf diverse antike Denkmäler und auf die ehemalige Stadtmauer von Rom. Eingebettet zwischen zwei Palastfassaden ist im Zentrum der ersten Reliefszene sogar eine konkrete Ansicht der Kirche San Andrea in Mantua mit der von Leon Battista Alberti nicht ausgeführten Kuppel wiedergegeben. Das deutlich hervorgehobene Sonnenmotiv am Kranzgesims einer der Palastfassaden soll an die bekannten Familienembleme der Gonzaga erinnern. Der bis heute leider anonym gebliebene Stuckateur und Maler der Brauttruhenreliefs der Paola Gonzaga könnte für die künstlerische Umsetzung der römischen Vorbilder rein hypothetisch unter anderem auch zeichnerische Vorlagen und Entwürfe von Andrea Mantegna, der von 1460–1506 Hofmaler in Mantua war, benutzt haben. Eine durchgehend eigenhändige Ausführung der Reliefs durch Mantegna selbst kommt jedoch aus stilkritischen Gründen nicht in Frage. Auch die beiden anderen bis heute zum Glück weitgehend unbeschädigt erhalten gebliebenen kleineren Truhen aus dem Brautschatz der Paola Gonzaga in der Grazer Domkirche sind nicht eindeutig einer konkreten Künstlerpersönlichkeit zuzuschreiben, sondern ihre stilistische Herkunft kann ebenfalls nur ganz allgemein nach Mantua oder Florenz lokalisiert werden. Sie bestehen aus einer reichen Einlegearbeit und zeigen in jeweils drei Kassettenfeldern auf Hornplatten besonders fein gearbeitete Elfenbeinreliefs mit Darstellungen der Trionfi des Petrarca. Die Grazer Truhen dienen dort als Behälter für die 1617 von Papst Paul V. dem späteren Habsburger Kaiser Ferdinand II. geschenkten katholischen Reliquien und können daher nur sehr schwer wissenschaftlich untersucht und zu Ausstellungszwecken ausgeborgt werden.

Die Familie Gonzaga war im Gegensatz zur altehrwürdigen Dynastie der Grafen von Görz ein relativ junges Herrschergeschlecht, das erst im 14. Jahrhundert in der oberitalienischen Handelsstadt Mantua unter Ausübung von Gewalt an die Macht kam. Unter der Regierung von Paolas Eltern, des Markgrafen Ludovico II. Gonzaga und seiner deutschen Gemahlin Barbara von Brandenburg, wurde der Fürstenhof in Mantua zu einem bedeutenden Kunstzentrum der mitteleuropäischen Renaissance. Bezeichnend für die Politik der Gonzaga im ausgehenden 15. Jahrhundert war eine innerhalb der Herrschaften der Poebene völlig neuartige, ausschließlich in den deutschen Kulturraum ausgerichtete Heiratsstrategie. So kam beispielsweise Margarete von Bayern durch die Heirat mit dem Erstgeborenen Federico I. Gonzaga schon im Jahre 1463 nach Mantua. 1474 war Barbara an der Reihe, die einzig wirklich gesunde und auch gutaussehende Tochter der Gonzaga, die sich auf Wunsch der Eltern mit dem mächtigen Herzog Eberhard von Württemberg vermählte. In dieselbe Richtung zielte daraufhin auch die Suche nach einem Verlobten für Paola, wobei schließlich die Wahl auf Leonhard von Görz fiel. Seine große Grafschaft und die engen Beziehungen zu den Habsburgern waren für die Markgrafen von Mantua von höchstem dynastischen Interesse.

Paola wurde am 23. September 1464 als jüngstes Kind der Gonzaga geboren. Sie war in Folge einer Rückgratverkrümmung, die später zu einem leichten Buckel und darüber hinaus zu einem Herzfehler führte, von Geburt an erheblich beeinträchtigt. Paola sollte wahrscheinlich ursprünglich wie zwei ihrer älteren Schwestern auf Grund der körperlichen Deformation ins Kloster gehen, wurde aber dann doch in einem Ehevertrag vom 11. Juli 1476 dem Grafen von Görz-Tirol versprochen. Die Verhandlungen mit dem über zwanzig Jahre älteren, kinderlosen Witwer gestalteten sich relativ schwierig. Leonhard galt als ein Mann des Schwertes, war tief verschuldet und hatte von seinen Ländereien in Oberkärnten, Osttirol und Görz bereits wichtige Teile verloren. Am 15. November 1478 vollzog man schließlich in der Pfarrkirche von Bozen die kirchliche Trauung. Bereits am Tag nach dem Vollzug der Ehe erkrankte Paola so schwer, dass der feierliche Hochzeitszug in ihre neue Heimat um mehr als vierzehn Tage verschoben werden musste. Das neue Leben auf Schloss Bruck in Lienz sollte ihr wenig Freude und kaum Annehmlichkeiten bescheren, erwartete sie doch dort eine ärmliche und primitive Welt, in der sie nicht nur die vertraute geistige und künstlerische Ansprache vermisste, sondern vor allem jegliche rein menschliche Herzlichkeit. Paola und Leonhard repräsentierten zwar ein unglückliches, aber in der Konstellation zu dieser Zeit durchaus übliches Ehepaar. Leonhard interessierte sich vor allem für die beträchtliche Mitgift und den reichen Brautschatz im Wert von 10.000 Gulden, den seine junge Frau aus Mantua mitbrachte. Darin enthalten waren laut Inventar u. a. 4 Hochzeitstruhen, wertvolle Bücher, Silbergeschirr, kostbare Juwelen und standesgemäße Kleidung. Als Paola im Sommer 1479 ein Mädchen zur Welt brachte, das nicht lebensfähig war, fiel sie in eine tiefe Verzweiflung und ihr physischer Zustand verschlechterte sich dramatisch. Die zunehmenden Vorwürfe und Feindseligkeiten am Hof ihres Mannes veranlassten Paola 1480 sogar zu einer kurzfristigen Rückkehr nach Mantua. Sie fügte sich dann aber doch in ihr Schicksal und kehrte geläutert nach Lienz zurück. Danach blieb ihr jede Lebensfreude und neue Nachkommenschaft versagt. Krank und schwach verstarb sie kurz vor dem 6. November 1496, vier Jahre vor ihrem Mann Leonhard, der am 12. April 1500 das Zeitliche segnete. Sein gesamtes Territorium fiel daraufhin in die Verfügungsgewalt der Habsburger. Zur ewigen Erinnerung an den letzten Grafen von Görz aus dem Geschlecht der Meinhardinger wurde dann posthum um 1506/1507 vom Tiroler Bildhauer Christoph Geiger für die Andreaskirche in Lienz ein repräsentatives Figurengrabmal aus Stein angefertigt, das heute noch dort existiert.

                                              Mag. Robert Wlattnig, Kunsthistoriker im Landesmuseum für Kärnten