MODENA
Modena, eine von 9 Provinzhauptstädten der Region Emilia-Romagna, liegt zwischen den Flüssen Panaro und Secchia in der Po-Ebene. Die Stadt, die heute rund 187.000 Einwohner zählt, kann auf eine alte, 1175 gegründete Universität verweisen.
Die Anfänge der Stadt gehen auf die etruskische Siedlung MUTINA zurück, die am Beginn des 4. JH v. Chr. von den keltischen Boiern erobert wurde. In den Keltenkriegen fiel MUTINA an die Römer; ihre Herrschaft wurde aber immer wieder durch Aufstände der Boier und den Einfall Hannibals gefährdet.
187 v. Chr. lässt Konsul Marcus Aemi-lius Lepidus vom römischen Ariminum (Rimini) bis Placentia (Piacenza) eine wichtige KONSULARSTRASSE – die VIA AEMILIA – errichten, die der Region auch den Namen gab. Die heutige SS 9 (strada statale) stellt nach wie vor eine wichtige Verkehrsader dar, hatten die Römer doch mit Aufschüttungen und sorgfältig angelegten Straßengräben eine „überschwemmungssichere“ Trasse geschaffen, auf der – mit Ausnahme von Ravenna und Ferrara – alle wichtigen Orte liegen.
Über diese Straße marschierten die römischen Legionen zur Eroberung weiterer, entfernterer Länder; sie diente aber auch der besseren Kontrolle der betroffenen Gebiete; schließlich wurden Abgaben, Beutegüter, Sklaven und Waren aller Art über diese Verkehrsverbindung bequem nach Rom transportiert, weil die VIA FLAMINIA Rimini direkt mit der Hauptstadt verband. Mutina erlebte seine erste Blütezeit.
Als der römische Verteidigungsring um den Kulturraum des Mittelmeeres ab dem 3. JH n. Chr. einzubrechen begann, wurde das Reich geteilt, um die andrängenden Feinde (im Osten vor allem die Perser – im Westen die germanischen Stämme) besser abwehren zu können. Ravenna war die letzte Hauptstadt des weströmischen Reiches, das 476 endete. Ab diesem Zeitpunkt begann auch der Verfall der Stadt Modena: die bereits stark beschädigten Gebäude wurden durch zahlreiche Überschwemmungen völlig zerstört und die entmutigte Bevölkerung verließ die Ruinen, um in der Nähe eine neue Siedlung zu gründen, der allerdings kein Glück beschieden war. Schließlich entstand an der alten Stelle ein neues offenes Dorf, das Bischof Leodoinus im Jahr 891 durch Mauern befestigen ließ.
Das Vertrauen in den Stadtpatron GEMI-NIANUS aus dem 4. JH führte Modena im 10. und 11. JH zu neuer Blüte.
Die „FREIE GEMEINDE“ (Libero Comune) ließ am 23. Mai 1099 die Baugrube für eine neue Bischofskirche ausheben, für die drei Wochen später der Grundstein gelegt wur-de. Die Überführung der Gebeine des Hl. Geminianus in die Krypta erfolgte im April 1106.
Die Weihe des Altars über dem Grab des Stadtpatrons nahm Papst PASCALIS II, in Anwesenheit der großen Gräfin Ma-thilde von Canossa und mehrerer Kardinäle, persönlich vor. Am 14. Juli 1184 konsekrierte Papst Lucius III schließlich die fertige Kathedrale.
Der Dom von Modena ist nicht nur Weltkulturerbe, sondern auch die älteste bis heute erhaltene Bischofskirche der Region, von der – dank zahlreicher Inschriften und Dokumente – die Namen der meisten Architekten und Bildhauer bekannt sind. Der erste Baumeister war LAN-FRANCO, der mit dem hochbegabten Bildhauer WILIGELMUS zusammenarbeitete; von beiden wissen wir nicht, woher sie kamen.
Der Dom wurde nicht vom Bischof, sondern von der Bürgerschaft zu Ehren ihres Schutzpatrons errichtet. Nach der Weihe (1184) verhandelte der städtische Rechnung-führer der Dombauhütte – ALBERTUS – mit ANSELMUS einem Architekten und Steinmetz aus CAMPIONE (Lago di Lugano), über die Leitung der Bauhütte; der Vertrag mit den MAESTRI CAMPIO-NESI wurde bis zum Jahr 1322 immer wieder erneuert. Auf Anselmo folgten rund 7 Generationen seiner Nachkommen als Leiter der Dombauhütte; danach zogen sie wohl nach MONZA weiter.
Mit seiner Länge von 67 m ist der Dom wesentlich kleiner als die Bauten in Parma und Piacenza; er wurde parallel zur Trasse der Via Emilia ausgerichtet und entspricht somit nicht der traditionellen Ost-West-Ausrichtung.
Das Ziegelmauerwerk ist überall, mit teils antiken, aber qualitätsvollen Hausteinquadern verkleidet und weist eine prächtige Drei-Apsiden-Gruppe auf, über die sich der stolze Turm – die Ghirlandina – zu beugen scheint. Schon bald nach der Errichtung senkte sich das Erdreich unter der gewaltigen Last und es grenzt an ein Wunder, dass der Dom während des schweren Erdbebens in der Po-Ebene im Jahr 1117 nicht einstürzte.
Die Grundstruktur der FASSADE und der Haupteingang, die PORTA PAPALE gehen auf Lanfranco und Wiligelmus zurück; es handelt sich dabei um das älteste im ganzen Abendland erhaltene Figurenportal.
Die vier Reliefstreifen mit Episoden aus der GENESIS weisen einen mäßigen Erhaltungszustand auf, stellen aber die ersten Exemplare der erzählenden BAU-PLASTIK in Italien dar; sie stehen am Anfang der mittelalterlichen Bildhauerei auf der ganzen Apenninen-Halbinsel.
Die Campionesen fügen in der Folge zwei Seitenportale und die große Fensterrose hinzu.
Die PORTA della PESCHERIA an der Nordseite des Doms (in der Nähe des Fischmarktes) stammt wohl von einem sehr begabten Schüler des Wiligelmus, dem „Maestro della Pescheria“. 12 Monatsdarstellungen schmücken die Türpfosten dieses Portales (zeitlich gesehen die ersten in der PO-Ebene!), während an der Porta Papale 12 Propheten dargestellt wurden.
Der Innenraum ist durch die schlichte Backsteinarchitektur geprägt; der Raum gliedert sich in drei Längsschiffe, die in Apsiden enden. Vom Hauptschiff führen mehrere Stufen in die Krypta. Über den Stufen erhebt sich, von 6 auf Löwen ruhenden Säulen getragen, der sogenannte PONTILE: eine mit Relieftafeln ge-schmückte Brüstung.
Die GHIRLANDINA ist ein topographischer und politischer Orientierungs-punkt der Stadt, und auch das Wahrzeichen des kommunalen Stolzes. In der Turmhalle wird die Kopie des berühmten „Secchia rapita“ aufbewahrt, die merkwürdige Kriegsbeute aus der Schlacht von Zappolino (1325), in der die Bolognesen „vernichtend“ besiegt wurden.
Vor der Südseite des Domes, an der sich zwei weitere Portale (Porta dei Principi und Porta Regia) und die AUSSENKANZEL (von 1501) befinden, liegt die PIAZZA GRANDE mit dem PALAZZO COMUNALE (mit Mauerresten aus dem 12. JH). Bei der Einmündung der Via Castellaro erblicken wir auf einer Konsole die Marmorstatue der „BONISSIMA“: der Volksglaube hält sie für eine reiche Modeneserin, die in der Zeit der Hungersnot die Armen selbstlos mit Speisen versorgte.
Die Zeit der LIBERO COMUNE endet 1288 als OBIZZO d’ESTE die Herrschaft in der Stadt übernahm; zu Beginn des Trecento kann Modena die Fesseln noch einmal abschütteln, aber 1336 fällt die Stadt endgültig an die ESTE und wurde zur „Nebenresidenz“ der Familie. Hauptstadt des Fürstentums war Ferrara.
Als der Heilige Stuhl 1597 Ferrara als „erledigtes Lehen“ (keine legitimen männlichen Nachkommen) einzieht, ver-legen die Este ihren Hof ins „kaiserliche“ Modena. Ihre Residenz, der PALAZZO DUCALE ist das größte Gebäude der Stadt, an dem von 1629 bis zur Mitte des 19. JH gebaut wurde. Nach den Beschädigungen des Palazzo während des 2. Weltkriegs, wurde der Bau restauriert und beherbergt heute die „ACCADEMIA MILITARE“ (die bedeutendste Offizierschule Italiens) wes-halb auch der beeindruckende Hof nur mit Sondergenehmigung besichtigt werden kann.
Neben der Kirche Sant’Agostino, die als Grablege der Este gedacht war, befindet sich der PALZZO dei MUSEI: das ursprünglich als herzogliche Kaserne und Arsenal errichtete Gebäude diente zei-weilig als Armenhaus, ehe es 1788 die Kunstsammlungen der Este aufnahm: Museo Civico, Galleria und Biblioteca Estense.
1859 muss der letzte Fürst, Francesco V, Modena verlassen, das Teil des neuen Königreichs Italien wurde.