RAFFAEL – GOLD UND SEIDE
So lautet der Titel der Herbstausstellung 2023 im Kunsthistorischen Museum in Wien und er mag auf den ersten Blick etwas seltsam erscheinen, denn der berühmte Maler der italienischen Hochrenaissance verwendete weder Blattgold in seinen Gemälden – wie das im Mittelalter üblich war – noch in seinen Fresken und die eher seltene Darstellung von Seidengewändern in seinem Oeuvre würde diesen Titel auch nicht rechtfertigen.
Etwas mehr Aufschluss gibt da schon der Titel des Katalogs – Raffael – Revolution des Tapisseriedesigns -, der klarmacht, dass wir es hier mit der wohl prestigeträchtigsten Ausstattungsgattung aller Zeiten zu tun haben – kostbaren Wandbehängen aus (mehrheitlich) Wolle, Gold und Seide. Diese monumentalen Objekte gehör(t)en zum teuersten und kost-barsten, das man sich an Innenausstattung leisten konnte und so finden wir unter den Auftraggebern Kaiser und Könige, Fürsten und Päpste.
So auch im Fall jener Tapisserienserie, auf die sich der Titel der Ausstellung bezieht – die Apostelserie – für die Papst Leo X. aus dem Hause Medici, 1515 den Auftrag zu den Entwürfen an Raffaello Sanzio (oder auch Santi) da Urbino – heute besser bekannt als Raffael – erteilte. Raffael war zu diesem Zeitpunkt bereits ein bekannter und gefragter Künstler und es mag uns heute seltsam erscheinen, dass er einen derartigen Auftrag für ein ihm bis dahin nicht vertrautes Medium angenommen hat. In der Vergangenheit waren solche Aufträge an berühmte Künstler allerdings nicht außergewöhnlich wie einige Beispiele im Rahmen der Ausstellung zeigen und auch in späteren Jahrhunderten wurden die Entwürfe berühmter Künstler immer wieder in textiler Form umgesetzt (z.B. Peter Paul Rubens, Francisco de Goya, etc.).
Im Gegensatz zu Gemälden wurden Tapisserien immer in Serien hergestellt, die je nach gewählter Thematik eine entsprechende Anzahl an solchen Bildteppichen umfassten. Beispiels-weise sieben im Fall der Todsünden, die ebenfalls in der Ausstellung gezeigt werden.
Im Fall der Apostelserie waren es ursprünglich zehn, von denen sich sechs mit Szenen aus dem Leben des Apostels Paulus und vier mit Petrus befassten. Dieses „Programm“ wurde von der päpstlichen Kanzlei vorgegeben. Raffael oblag die freie Gestaltung dieser Szenen, bei der er zum einen seine eigene Erfahrung aus der Freskenmalerei nützte und sich zum anderen auf den Kontext bezog, für den die Tapisserien schlussendlich gedacht waren – die untere Wandzone der Sixtinischen Kapelle im Vatikanischen Palast in Rom.
Die Herstellung der Tapisserien nach Raffaels Entwürfen – sogenannten Kartons – erfolgte in Brüssel, der damaligen Hochburg für diese Art von textiler Gestaltung und zog sich über mehrere Jahre, so dass Raffael ihre Vollendung und vollständige Präsentation in der Sixtina 1521 nicht mehr erlebte. Er war bereits 1520 verstorben. Seine Entwürfe dienten jedoch noch mehrere Jahrhunderte als Vorlagen für über 50 weitere „Apostelserien“ – jene im Besitz des Kunsthistorischen Museums wurde um 1600 ebenfalls in Brüssel hergestellt und gelangte durch Ankauf durch Kaiser Franz II./I. in die Habsburgischen Sammlungen. Raffaels Darstellungsweise revolutionierte auch die weitere Entwicklung der Tapisserien, was sich an weiteren ausgestellten Werken gut ablesen lässt.
Arja KRAUCHENBERG, BA MA